Freitag, 19. September 2014

Auszug aus Tim

Hier einmal wieder ein kleiner Auszug aus meinem Roman "Tim", der noch nicht weit fortgeschritten ist, da ich den Anfang immer wieder geändert habe, es wird sicher, wie ich mich kenne, nicht die letzte Änderung sein, trotzdem wollte ich ja ab und an einen kleinen Einblick geben:

Die Masse flößte ihm schon immer Angst ein, dieses Verlieren der Grenzen, das sich nicht über den Intellekt erstreckte, sondern rein biologisch zu sein schien, das Knistern, die Glut, ein Funke reichte aus, um das Feuer zu entfachen, eine Explosion herbeizuführen, eine Meute Wilder aus ihnen zu machen, die sich selbst zerfetzte. Wenn alle zu einem großen Ganzen verschmolzen, fürchtete er sich, bekam das Bedürfnis zu fliehen mit der Gewissheit der Jubel könnte jederzeit in Hass oder Panik umschlagen. Nie wollte er mit der Masse etwas zu tun haben, so saß er hier in diesem beengten Raum und verließ ihn lieber im Geiste.

Er stand auf, ging zum Regal, die Auswahl war nicht groß, Bibel oder Tagebuch, ein Mathematikbuch hatte er noch mitgehen lassen, das versteckte er aber unter der Matratze. Er griff nach der Bibel und schlug sie, wie so oft, an beliebiger Stelle auf.

Aus der Menschen Mitte werden sie weggetrieben: man schreit ihnen nach wie einem Dieb;
an den Hängen der Täler wohnen sie, in den Löchern der Erde und in Steinklüften;
zwischen den Büschen schreien sie, und unter den Disteln sammeln sie sich
gottloses Volk und Leute ohne Namen, die man aus dem Lande weggejagt hatte
Jetzt bin ich ihr Spottlied geworden und muss ihnen zum Gerede dienen.
Hiob 30, S. 542

Er war nicht alleine offenbar. Nicht nur ihm erging es so, doch wo waren die anderen Verdammten, wo waren sie nur hin?

Er starrte auf die Wand

Tosendes Gebrüll, animalisches, Geschrei ohne Worte, fand er sich unter den Verendenden, in ihrer Mitte, manche lupften noch die Schwerter bevor sie zu Boden gingen. Einen netten Jungen sah er, mit ihm hätte er gerne seine Nudeln geteilt, doch sie überlebten nicht bis morgen, die Geier warteten bereits.

Auszug aus Tim, Anja Wurm

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